Bildungspolitische Rahmenbedingungen
Katharina Schild und Malte Ring
Lehrpläne (in Baden-Württemberg Bildungspläne) sind laut Kaminski (2017) „Politikkonstrukte“ und stellen ein „Spiegelbild der geistigen bzw. politischen Kräfte einer Gesellschaft dar“ (S. 78). Sie dienen als Instrumente der staatlichen Bildungspolitik und geben Handlungsanweisungen an Lehrkräfte sowie Vorgaben für den Erkenntnishorizont von Schülerinnen und Schülern (Kaminski, 2017). Bildungspläne sollen dazu beitragen, Kinder und Jugendliche in der Schule auf verschiedene Lebenssituationen und Probleme vorzubereiten. Weiterhin bilden sie die Rahmenbedingungen und übernehmen Ordnungs- und Steuerungsfunktionen für den Unterricht und dessen Planung. Fachspezifisch regeln Bildungspläne Anforderungsniveaus und legen fest, was im jeweiligen Fach unterrichtet werden soll. Für jedes Unterrichtsfach sind in den Bildungsplänen „Groblernziele festgelegt, denen dann eine Inhaltsstruktur angefügt ist“ (Euler & Hahn, 2014, S. 505). Die aufgeführten Ziele und Inhalte sind verbindlich, während die Reihenfolge und Zeitplanung der Lehrkraft obliegt (Euler & Hahn, 2014).
Weitere Lehrziele und Inhalte finden sich neben Bildungsplänen auch in Kerncurricula wieder (Arndt, 2020). Diese komplementieren die Rahmenbedingungen zur Vorbereitung des Unterrichts, indem sie neben den zu erwerbenden Kompetenzen auch für das jeweilige Fach relevante inhaltliche Aspekte und Lernmethoden aufführen. Sie geben der Lehrkraft mehr Struktur als Bildungspläne, lassen aber gleichzeitig Freiräume für eine klassenspezifische Umsetzung des Unterrichts (Arndt, 2020). Kerncurricula und Bildungspläne dienen auch als Ausgangs- und Bezugspunkt für die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte sowie für Fort- und Weiterbildungssysteme. Weiterhin sind sie zentral für die Erstellung von Lehrmitteln und fungieren z.B. als Grundlage für Schulbuchverlage (Kaminski, 2017).
Bildungspolitische Rahmenbedingungen ökonomischer Fächer in Deutschland
Die bildungspolitischen Rahmenbedingungen für wirtschaftsbezogene Fächer in Deutschland sind sehr heterogen. Ökonomische Inhalte werden teilweise in einzelnen, spezifischen Fächern untergebracht (zum Beispiel Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung in Baden-Württemberg, unten ausführlicher) oder in integrativen Fächern mit Anteilen von Politik, Soziologie, Recht und/oder Technik (z.B. Wirtschaft und Recht in Bayern, Politik-Wirtschaft in Niedersachsen, Wirtschaft-Arbeit-Technik in Brandenburg). Details zur Ausgestaltung liefert die OeBiX-Studie des Instituts für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg. Dort wird unter anderem der Status der ökonomischen Bildung in den allgemeinbildenden Schulen untersucht (Flossbach von Storch Stiftung, 2021). Ein zentrales Ergebnis ist, dass kein Bundesland die in der Studie formulierten Ansprüche des Umfangs eines regulären Nebenfaches erreicht. Vergleichsweise wird in Niedersachsen, Bremen und Bayern ökonomischer Bildung ein hoher Stellenwert beigemessen. In diesen Bundesländern wird eine Quote von 63 bis 75 % Erfüllung des Anspruches an ein Nebenfach erreicht. Dagegen erreichen die Bundesländer Hamburg (33 %), Sachsen (30 %) und Rheinland-Pfalz (26 %) die letzten Plätze im Bundesvergleich. Im Bundesdurchschnitt wird ein Wert von 48,50 % erzielt. Auch Baden-Württemberg verfehlt trotz Einführung des Unterrichtsfachs WBS die Anforderungen, da die Anzahl an vorgesehenen Kontingentstunden das Mindestmaß der OeBiX-Studie unterschreitet (Flossbach von Storch Stiftung, 2021).
Die Bildungsplanreform 2016 in Baden-Württemberg
Im Jahr 2016 stellte das Kultusministerium in Baden-Württemberg einen neuen, landesweit geltenden Bildungsplan vor. Diese Weiterentwicklung des Bildungsplans von 2004 verstärkt die Kompetenzorientierung und wird durch zahlreiche gesellschaftliche und fachliche Entwicklungen begründet (Pant, o. J.). So werden unter anderem die Verankerung der Inklusion im Schulgesetz, die wachsende Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund und der „flächendeckende Fachkräftemangel“ (Pant, o. J., o. S.) als Anstöße der zielgerichteten Bildungsplanreform genannt. Ziel der Reform ist laut Pant (o. J.) vor allem die „Stärkung der Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg“ (o. S.). Diese soll zum Beispiel durch einen adäquaten Umgang mit Heterogenität, mehr individuelle Förderung in der Schule und den Abbau von „Bildungshürden“ (Pant, o. J., o. S.) erreicht werden.
In den überarbeiteten Bildungsplänen wurden sechs fächerübergreifende Leitperspektiven verankert, für die alle Fächer, darunter Wirtschaft und „Wirtschaft / Berufs- und Studienorientierung“ (WBS), einen Beitrag leisten.
Folgende Leitperspektiven wurden beschlossen:
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
- Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
- Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
- Berufliche Orientierung (BO)
- Medienbildung (MB)
- Verbraucherbildung (VB)
Laut Pant (o. J.) sollen durch „das in allen weiterführenden Schularten neu eingeführte Fach ‚Wirtschaft / Berufs- und Studienorientierung' … die ökonomische Bildung der Schülerinnen und Schüler und deren Berufs- und Studienorientierungsprozess gefördert werden“ (o. S.).
Bildungspolitische Rahmenbedingungen der Fächer WBS und Wirtschaft
Die Bildungspläne für die Fächer WBS und Wirtschaft ähneln sich in vielerlei Hinsicht. Beide Fächer tragen zu den sechs Leitperspektiven bei, wobei die berufliche Orientierung (BO) im Fach WBS besonders relevant ist. Die im Bildungsplan festgelegten übergeordneten Ziele beider Fächer sind nahezu identisch:
„Ziel der ökonomischen Bildung ist, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, ökonomisch geprägte Lebenssituationen zu erkennen, zu bewältigen und zu gestalten sowie ihre Interessen in einer sich verändernden globalisierten Welt selbstbestimmt und selbstbewusst zu vertreten. Dadurch trägt ökonomische Bildung zur Stärkung der Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler bei“
Im Bildungsplan für das Fach WBS wird als ergänzendes Ziel die „berufliche Orientierung im Hinblick auf die Planung und Gestaltung des Übergangs in Ausbildung, Studium und Beruf“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016b, S. 3) aufgeführt. Wie auch in den weiteren gesellschaftswissenschaftlichen Fächern sollen die Schülerinnen und Schüler Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen entwickeln. Dies geschieht im Wirtschafts- und WBS-Unterricht durch das „Drei-Dimensionen-Modell“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016b, S. 6–7) (Bildungsstandards und Kompetenzmodelle).
Unterschiede in den beiden Fächern zeigen sich vor allem hinsichtlich der inhaltsbezogenen Kompetenzen. Diese sind im Fach WBS in die Unterthemen „Verbraucher“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016b, S. 13), „Erwerbstätiger“ (S. 15) und „Wirtschaftsbürger“ (S. 20) gegliedert.
Im Wirtschaftsunterricht für die Oberstufe sind die inhaltsbezogenen Kompetenzen stufengemäß ausdifferenzierter und komplexer. Außerdem sind sie stärker am Wissenschaftsprinzip orientiert (Prinzipien zur Inhaltsauswahl). So werden unter anderem „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016a, S. 15), „Globale Gütermärkte“ (S. 17), „Arbeitsmärkte“ (S. 19) und „Internationale Finanzmärkte“ (S. 20) behandelt.
Literatur
Arndt, H. (2020). Ökonomische Bildung. FAU University Press.
Flossbach von Storch Stiftung (2021). Die OeBiX-Studie. Zum Stand der Ökonomischen Bildung in Deutschland. https://www.flossbachvonstorch-stiftung.de/projekte/oebix-studien
Kaminski, H. (2017). Fachdidaktik der ökonomischen Bildung. Ferdinand Schöningh.
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016a). Bildungsplan 2016. Wirtschaft. http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/WI
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2016b). Bildungsplan 2016. Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung (WBS). http://www.bildungsplaene-bw.de/site/bildungsplan/get/documents/lsbw/export-pdf/depot-pdf/ALLG/BP2016BW_ALLG_GYM_WBS.pdf
Pant, H. A. (o. J.). Einführung in den Bildungsplan 2016. Warum ein „neuer“ Bildungsplan? Anlässe und Absichten der Bildungsplanreform. http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/EINFUEHRUNG (abgerufen am 21.09.2024)
zuletzt aktualisiert: 01.11.2024
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Schild, K., & Ring, M. (2024). Bildungspolitische Rahmenbedingungen. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/makrodidaktik/bildungspolitische-rahmenbedingungen (zuletzt abgerufen am [Datum]).