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Problemorientierung im Wirtschaftsunterricht

Malte Ring

„Unsere Antwort auf die Frage, was das Lernen des Schülers [oder der Schülerin] in Bewegung setzt, wird lauten: lebendig empfundene Probleme“

Mit diesem Zitat beschreibt Aebli (1987) die Fähigkeit der Problemlösung als eine der wichtigsten Grundbausteine des Lehrens und Lernens. Von einem Problem wird bei einer nicht oder nur schwer lösbaren Aufgabe gesprochen, wobei die Ausgangslage i.d.R. als „unbefriedigend“ (Abele et al., 2012, S. 3) empfunden wird. Gelingt es jedoch, das Problem zu bewältigen, und wird das Ziel des zufriedenen Zustands erreicht, so spricht man von einer Problemlösung. 

Im Alltag und in zukünftigen Lebenssituationen erleben Jugendliche immer wieder Schwierigkeiten in ökonomisch relevanten Situationen, die sie möglichst effektiv überwinden möchten. Problemorientierte Ansätze gehen davon aus, dass dafür Faktenwissen allein nicht ausreicht. Vielmehr müssen Probleme (im Team) kreativ gelöst und neues Wissen mit Altem verbunden werden (Reusser, 2005). Folglich sollten auch Jugendliche bereits in der Schule mit dem Prozess der Problemlösung in Kontakt kommen, um die entsprechenden Kompetenzen im realen Leben erfolgreich anwenden zu können. In der ökonomischen Bildung ist dies besonders naheliegend, da die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler einen direkten Bezugspunkt im Bildungsplan darstellt (Prinzipien für Inhaltsauswahl).

Ziel der Problemorientierung ist es also, den Lernenden auf der Basis ökonomischer Zusammenhänge wirtschaftlich geprägte Problem- und Lebenssituationen nahezubringen. Das kontextbezogene Wissen und die erlernten Kompetenzen werden anschließend von den Lernenden an vergleichbaren Problemstellungen angewendet (Euler & Hahn, 2014), die altersgemäß und domänenspezifisch angelegt sind (Krol et al., 2011) (Lernvoraussetzungen bestimmen). Dies soll es ihnen ermöglichen, im Alltag als Wirtschaftsakteurinnen und -akteure auf solche Problemlagen zu reagieren und diese zu bewältigen (Bildungsstandards und Kompetenzmodell). 

Methodische Umsetzung von Problemorientierung

Setzt man das problemorientierte Lernen im Wirtschaftsunterricht in die Praxis um, so besteht eine „große methodische Bandbreite“ (Euler & Hahn, 2014, S. 121). Eine mögliche, eher standardisierte Realisationsform ist die sogenannte „Siebensprungmethode“ von Dewey (1938). Der Unterricht unterteilt sich nach dieser Methode in verschiedene Phasen zur Erarbeitung und Lösung der Problemstellung.

Zunächst wird ein Fallbeispiel vorgestellt und die Schülerinnen und Schüler werden mit dem zu behandelnden Problem konfrontiert. Hierbei steht die Lehrperson zur Klärung von ersten Unklarheiten zur Verfügung. Anschließend wird das Problem analysiert und es folgt die „Hypothesenbildung“ (Euler & Hahn, 2014, S. 121), bei der erste Lösungsvorschläge entwickelt werden. Nach der vierten Phase, in der die Ideen zur Problemlösung strukturiert werden, kommt es zur selbstständigen Recherche und zur Entwicklung von benötigtem Wissen, um anschließend die Ergebnisse zu diskutieren und zu vergleichen. Zuletzt findet eine Ergebnissicherung statt, bei der die Lernenden die Arbeitsphasen und deren Lösungsprozesse reflektieren.

Mit diesem methodischen Ablauf werden den Lernenden klare Vorgaben zur Bearbeitung des Problems gegeben und sie erhalten eine Idee, wie sie bei der Problemlösung sicher vorgehen können (Euler & Hahn, 2014). Neben dieser strukturierten Form lässt sich die Idee der Problemorientierung auch in sogenannte „traditionelle Methoden“ (Euler & Hahn, 2014, S. 123) integrieren. So kann auch ein Lehrgespräch ausgehend von einer Problemsituation entwickelt werden, sofern die Lehrpersonen nicht die Antworten zu deren Lösung vorgeben, sondern die Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken und Erarbeiten anregen (Euler & Hahn, 2014).

Reinmann-Rothmeier & Mandl (2001) haben fünf Leitlinien zur Gestaltung des problemorientierten Unterrichts entwickelt:

Erläuterung der fünf Leitlinien

Die erste Leitlinie beschreibt die Art der zu behandelnden Probleme. Diese sollten situationsbezogen und lebensnah sein, damit die Lernenden motiviert sind, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sich neues Wissen anzueignen. Dieses können sie bei anderen Problemstellungen und auch im realen Leben anwenden. Eine Umsetzung könnte so aussehen, dass die Lehrperson der Klasse kontroverse aktuelle Tagesereignisse zur Verfügung stellt, die zur Diskussion anregen. Ein konkretes Beispiel für eine Problemstellung ist die Vermeidung von Verpackungsmüll vor dem größeren Kontext der Nachhaltigkeit. Durch aktuelle Themen entsteht ein höherer Lern- und Motivationsgehalt, häufig haben sich Schülerinnen und Schüler schon mit der Problematik auseinandergesetzt und bringen ein gewisses Vorwissen mit (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001). Da das Thema der Nachhaltigkeit auf alle Lebensbereiche übertragen werden kann, werden die Lernenden auch außerhalb des Unterrichts damit konfrontiert und können das angeeignete Wissen und kritische Denken im realen Leben anwenden.

Die zweite Leitlinie sagt aus, dass die Lernenden im problemorientierten Unterricht in „multiplen Kontexten“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001, S. 640) lernen und das erworbene Wissen auf andere Fälle anwenden können. Das Thema der Nachhaltigkeit kann am Ende der Stunde auch auf andere Fälle und Situationen übertragen und kritisch betrachtet werden. Das Lernziel ist erreicht, wenn die Lernenden weitere ähnliche Problemstellungen erfolgreich und ohne umfassende Hilfestellung lösen können.

Eine weitere Leitlinie beinhaltet das Perspektivenlernen. Die Lernenden sollten die Probleme aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachten, um so in der Anwendung des Gelernten flexibel agieren zu können. Im Wirtschaftsunterricht spielt dies eine große Rolle, da man viele ökonomische Inhalte aus der Sicht verschiedener Wirtschaftsakteure beleuchten kann. Die Vermeidung von Verpackungsmüll kann nicht nur von Seiten der Schülerinnen und Schüler als Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch aus Sicht der Produzentinnen und Produzenten, verschiedener Stakeholder und der Politik betrachtet werden. Hierfür eignen sich Rollenspiele um verschiedene Sichtweisen sowie Vor- und Nachteile zu diskutieren (Reflexive Wirtschaftsdidaktik).

Dies lässt sich besonders gut mit einer weiteren Leitlinie kombinieren, mit der das soziale Kontextlernen einhergeht. Hierbei sollte man den Lernenden „kooperatives Lernen“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001, S. 640) in Gruppen ermöglichen, um die Sozialkompetenz in der Lernumgebung zu fördern.

Die letzte Leitlinie weist darauf hin, dass Lehrpersonen die Schülerinnen und Schüler beim Problemlöseprozess unterstützen sollten. Sie sollten also nicht nur Unterrichtsmaterial, wie in diesem Falle aktuelle Zeitungsartikel und Stellungnahmen der Stakeholder zur Verfügung stellen, sondern auch neben der Förderung des eigenständigen Lernens gerade lernschwächeren Schülerinnen und Schülern bei Unklarheiten Hilfestellungen geben, da es andernfalls zur Überforderung kommen kann (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001).

Zu den Themen Verpackungsmüll, Nachhaltigkeit, Knappheit sowie zu vielen weiteren gibt es bereits zahlreiche Unterrichtsentwürfe, die einen problemorientierten Unterricht ermöglichen (Methodensammlung). 

Literatur

Abele, S., Greiff, S., Gschwendtner, T., Wüstenberg, S., Nickolaus, R., Nitzschke, A., & Funke, J. (2012). Dynamische Problemlösekompetenz: Ein bedeutsamer Prädiktor von Problemlöseleistungen in technischen Anforderungskontexten? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 15(2), 363-391. doi.org/10.1007/s11618-012-0277-9

Aebli, H. (1987). Zwölf Grundformen des Lehrens. Eine allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage. Klett-Cotta.

Dewey, J. (1938). Logic. The Theory of Inquiry. Henry Holt and Company.

Euler, D., & Hahn, A. (2014). Wirtschaftsdidaktik (3., aktualisierte Auflage). Haupt Verlag.

Krol, G.-J., Loerwald, D., & Müller, C. (2011). Plädoyer für eine problemorientierte, lerntheoretisch fachlich fundierte ökonomische Bildung (CIW Discussion Paper 2/2011). Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Centrum für Interdisziplinäre Wirtschaftsforschung (CIW). hdl.handle.net/10419/49982

Reinmann-Rothmeier, G., & Mandl, H. (2001). Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In A. Krapp, & B. Weidenmann (Hrsg.), Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch (4. Aufl., S. 601-646). Beltz.

Reusser, K. (2005). Problemorientiertes Lernen - Tiefenstruktur, Gestaltungsformen, Wirkung. Beiträge zur Lehrerbildung, 23(2), 159-182. doi.org/10.25656/01:13570

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:

Ring, M. (2024). Problemorientierung. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/makrodidaktik/problemorientierung (zuletzt abgerufen am [Datum]).