Prozessmodell für Unterrichtsplanung
Taiga Brahm
Es gibt nicht den einen guten Unterricht. Dennoch ist die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen nicht beliebig, da diese direkt mit dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zusammenhängt. Daher müssen Unterrichtsschritte sorgfältig geplant und begründet werden.
Planung von Wirtschaftsunterricht
Es gibt verschiedene Modelle, wie die Unterrichtsplanung umgesetzt werden kann (für einen Überblick siehe Klusmeyer & Söll, 2021). In diesem OER-Lehrbuch stellen wir eine vereinfachte Variante des Prozessmodells der didaktischen Planung nach Euler & Hahn (2014) vor und reichern dieses um Aspekte weiterer Modelle an.
Im Prozessmodell sind wesentliche Handlungsschritte einer Unterrichtsplanung enthalten. Es dient dazu, die einzelnen Unterrichtsschritte darzulegen und zu begründen. Mit Hilfe von Leitfragen kann die Planung detailliert ausgearbeitet werden (Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung (Wilbers, 2018)). Dabei sind die Schritte und Leitfragen hier im Text linear strukturiert. In der Praxis hingegen wird eher zwischen den Handlungsschritten hin- und hergewechselt, gleichsam einem iterativen, reziproken Prozess.
Wesentlich ist, dass am Ende der Unterrichtsplanung ein in sich konsistenter Unterricht entsteht. Dieser ist gekennzeichnet durch das so genannte „constructive alignment“ (Biggs, 2003). Dieses besagt, dass die Lernergebnisse, also die Ziele des Unterrichts, die Lehr- und Lernaktivitäten (d.h. die Inhalte, Lernmethoden und Medien) sowie die Prüfungsformen aufeinander abgestimmt sind. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen der Lernenden wie auch der Lehrperson sowie die Rahmenbedingungen berücksichtigen (Lernvoraussetzungen).
Schritte des Prozessmodells
Bei der Grobplanung gilt es zunächst, die Rahmenbedingungen des zu planenden Unterrichts zu erfassen und Grundentscheidungen für den Unterrichtsentwurf zu treffen. Hierzu gehören neben den Vorgaben des Bildungsplans auch die zeitlichen und räumlichen Rahmenbedingungen, die eigenen Voraussetzungen der Lehrperson und Medien sowie Lernmaterial (Euler & Hahn, 2014). Auf der Seite der Schülerinnen und Schüler sind dabei die Lernvoraussetzungen wichtig. Dazu gehören neben den kognitiven auch die emotionalen, motivationalen und sozialen Voraussetzungen der Lernenden (Wild et al., 2001). Nach Sichtung der Voraussetzungen der Lernenden werden die Lerninhalte und ihre Schwerpunktsetzung in der Unterrichtseinheit in der Sachanalyse bestimmt. Zusätzlich ist es insbesondere für eine neue Lehrperson wesentlich, sich als Reflexionsgrundlage auch die Leitvorstellungen des eigenen didaktischen Handelns bewusst zu machen. Hierzu gehören vor allem die eigene Vorstellung von gutem (Wirtschafts-)Unterricht und dessen Umsetzung. Dabei sollten nicht nur die eigenen Fachkenntnisse, sondern auch die Einstellung und Haltung der Lehrperson reflektiert werden (Reflexive Wirtschaftsdidaktik).
Nach Abwägung dieser ersten didaktischen Überlegungen wird festgelegt, wie viel Zeit für die Unterrichtseinheit verwendet werden soll und es werden die konkreten Lernziele der Unterrichtseinheit abgeleitet (Lernziele). Dies stellt bereits den Übergang zur Feinplanung dar. Im Prozessmodell nach Euler & Hahn (2014) werden zusätzlich noch die Lehr-Lernmethoden grob bestimmt (Methodensammlung und Unterrichtsmaterial) und ggf. ein Experimentalbereich ausgewiesen, wenn sich innovative Vorgehensweisen zur Erarbeitung der Inhalte anbieten.
Im nächsten Schritt wird die vorher grob strukturierte Unterrichtseinheit im Detail geplant. Hierzu gehören folgende Schritte, welche weitergehend in anderen Kapiteln behandelt werden:
Zunächst werden die Inhalte im Detail strukturiert. Hierfür wird geklärt, welche Lerninhalte zur Unterrichtseinheit dazugehören und wie ausführlich sie jeweils behandelt werden ( Sachanalyse). Auch passende Wissensstrukturen werden in diesem Schritt gesucht und die Lernziele (Feinziele) der Unterrichtseinheit festgelegt (Euler & Hahn, 2014).
Daraufhin wird der Unterrichtsverlauf in einer Disposition, also einem Überblicksplan, entworfen. Diese Disposition wird relativ kurzgefasst und beinhaltet die Reihenfolge und Zeitplanung der einzelnen Lernschritte, die angewendeten Methoden und Sozialformen. Auch die Art der Unterstützung durch die Lehrperson sowie Arbeitsaufträge, die für die nächste Stunde erteilt werden, werden in der Disposition festgehalten (Euler & Hahn, 2014). Als Anhaltspunkt kann hierzu die Tabelle dienen, welche im Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung von Wilbers (2018) abgebildet ist.
Zuletzt ist eine Reflexion hinsichtlich kritischer Ereignisse Teil der Feinplanung. Die Lehrperson antizipiert hierbei, welche Lernschritte eventuell Schwierigkeiten hervorrufen können und besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Auch auftretende Störungen, beispielsweise in der Kommunikation oder durch die angewendeten Medien, sollten bedacht werden (Euler & Hahn, 2014).
In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Verlaufsplanung zu überprüfen, d.h. sie hinsichtlich der eigenen Leitvorstellungen eines guten Unterrichts zu reflektieren. Hierbei geht es auch darum, zu prüfen, inwieweit die Unterrichtseinheit der Maßgabe des „constructive alignment“ (siehe oben) folgt: Inwieweit passen die eingesetzten Methoden und Medien zu den zu erreichenden Lernergebnissen und den Rahmenbedingungen, insbesondere den Voraussetzungen der Lernenden?
Die Umsetzungsarbeiten werden als letzter Schritt vor der zu haltenden Unterrichtsstunde durchgeführt. Die Lehrperson formuliert hierbei passende Aufgaben sowie Frage- und Problemstellungen und bereitet die benötigten Materialien (z. B. Arbeitsblätter, digitale Medien) vor. Im ursprünglichen Prozessmodell nach Euler & Hahn (2014) reflektiert die Lehrperson an dieser Stelle auch die Leitvorstellungen für die Kommunikation auf der Beziehungsebene.
Nachdem die Unterrichtsstunde bzw. -einheit gehalten wurde, erfolgt deren Reflexion. Dieser Schritt ist wichtig, um für zukünftige Unterrichtseinheiten Veränderungen abzuleiten und die eigene Kompetenzentwicklung voranzubringen (Reflexive Wirtschaftsdidaktik). Die Lehrperson untersucht zunächst die wesentlichen Abweichungen von der Verlaufsplanung. Sie analysiert außerdem, weshalb es zu den Abweichungen kam und was sie daraus für die nächste Unterrichtseinheit ableiten kann. Sollten sich nach der Stunde neue Einsichten, Konzepte oder Ideen für weitere Unterrichtseinheiten ergeben, notiert die Lehrperson sich diese idealerweise. Wenn Experimentiermöglichkeiten genutzt wurden, sollte auch deren Umsetzung reflektiert und Konsequenzen für weitere innovative Methoden abgeleitet werden (Euler & Hahn, 2014).
Sowohl nach als auch während der Durchführung kann das Prozessmodell der Unterrichtsplanung immer wieder unterstützend herangezogen werden. Dazu gehören beispielsweise die Bedingungsanalyse (Analyse von Rahmenbedingungen), die thematische Strukturierung sowie Wissensstrukturen und Methoden zur Darstellung (Euler & Hahn, 2014). Dabei sind auch die grundlegenden didaktischen Prinzipien (Tübinger Modell) wie auch die Basisdimensionen guten Unterrichts zu berücksichtigen.
Abschlussbemerkung
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die konkrete ausgearbeitete Planung immer nur einen möglichen Weg darstellt, nach dem eine Lehrperson ihr Handeln im Unterricht ausrichtet. Die Wirkungen des geplanten Unterrichts auf die Schülerinnen und Schüler sind nicht vorhersehbar, d. h. es kann im konkreten Unterrichtsgeschehen immer zu Abweichungen vom Geplanten kommen, z. B. bei ungeplanten Ereignissen, bei anderen Voraussetzungen oder Wünschen der Lernenden. Damit können auch andere Lerngelegenheiten einhergehen, weswegen es im Unterrichtsalltag sinnvoll sein kann, Abweichungen von der Unterrichtsplanung zuzulassen. Nichtsdestotrotz stellt eine sorgfältig vorbereitete und gut durchdachte Planung eine wesentliche Voraussetzung von gutem Unterricht dar und trägt zur Entwicklung der Lehrkompetenz bei (Grundlagen und Dimensionen eines guten Wirtschaftslehrers).
Literatur
Biggs, J. (2003). Teaching for quality learning at university (2. Aufl.). Open University Press.
Euler, D., & Hahn, A. (2014). Wirtschaftsdidaktik (3., aktualisierte Auflage). Haupt Verlag.
Klusmeyer, J., & Söll, M. (Hrsg.). (2021). Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik: Aktuelle theorie-, empirie- und praxisbasierte Beiträge. Springer Fachmedien Wiesbaden. doi.org/10.1007/978-3-658-26620-2
Wilbers, K. (2018). Wirtschaftsunterricht gestalten. Toolbox (3. Aufl.). epubli.
Wild, E., Hofer, M., & Pekrun, R. (2001). Psychologie des Lerners. In A. Krapp, & B. Weidenmann (Hrsg.), Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch (S. 207-270). Beltz Psychologie Verlags Union.
zuletzt aktualisiert: 01.11.2024
Zitationshinweis
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Brahm, T. (2024). Prozessmodell. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/makrodidaktik/prozessmodell (zuletzt abgerufen am [Datum]).