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Wissensstrukturen und Visualisierung

Lucy Haag, Katharina Schild und Malte Ring

Wissensstrukturen, auch Wissensschemata genannt, sind Darstellungen, die den Lernenden helfen, Objekte, Situationen, Ereignisse, Handlungen etc. mental zu erfassen und zu verarbeiten. Beispiele für Wissensstrukturen sind Diagramme, die einen Ablauf oder Zusammenhang beschreiben.

Visualisierte Wissensstrukturen unterstützen Lehrpersonen und Lernende dabei, Informationen zu ordnen und zu strukturieren sowie einzelne Bestandteile kognitiv zu einem zusammenhängenden Konzept zusammenzuführen (Dubs, 2009). Eine Eigenschaft von Schemata besteht darin, dass sie konkrete Objekte sowie abstraktes Wissen repräsentieren können (Kopp & Mandl, 2006). Durch Wissensstrukturen kann nicht nur neues Wissen besser konstruiert, sondern auch die Integration und die Erinnerung von Wissen unterstützt werden (Kopp & Mandl, 2006).

Dabei wird davon ausgegangen, dass ohne jegliche Struktur des Wissens keine Bedeutung hergestellt werden kann: „Meaning does not exist until some structure, or organization, is achieved.“ (Mandler, 2014, S. 20). Begründet wird dies dadurch, dass unter anderem keine Verbindung zu anderen Objekten oder zu bereits vorhandenem Wissen erstellt wird (Jonassen et al., 1993). Wissensstrukturen sind somit essenziell für die Aneignung und das Erinnern von neu Erlerntem (Kaminski, 2017).

Funktionen von Wissensstrukturen

Kaminski (2017) gliedert die Funktionen von Wissensstrukturen in vier Kategorien: 

Es erfolgt eine Reduktion auf die Kernaussage und auf die Zusammenhänge des Wissens/Themas.

Beispiel anhand des Preis-Mengen-Diagramms
Didaktische Reduktion der Inhalte auf den Zusammenhang der Aspekte Preis, Angebot und Nachfrage.

Wissensstrukturen bilden eine Basis, die es erleichtert, sich mit dem Thema erneut zu befassen.

Beispiel anhand des Preis-Mengen-Diagramms
Diese Basis, um Preisbildung zu verstehen, kann Stück für Stück mit Aspekten wie Preisuntergrenze, Steuern, etc. erweitert werden.

Informationen, welche aus einem Sachverhalt gewonnen wurden, können auf andere Phänomene übertragen werden.

Beispiel anhand des Preis-Mengen-Diagramms
Das vorhandene Wissen kann nun auf weitere Phänomene übertragen werden, beispielsweise den Mindestlohn, die Auswirkungen einer globalen Pandemie, etc.

Wissensstrukturen sind graphische Darstellungen, die nur das essenzielle Wissen beinhalten.

Beispiel anhand des Preis-Mengen-Diagramms
Einführung der graphischen Darstellung des Preis-Mengen-Diagramms unter Auslassung der externen Faktoren.

Visualisierungen

Wissensstrukturen können durch Visualisierungen sichtbar gemacht werden. So können Strukturen, Vorgänge und Zusammenhänge durch Bilder, Listen, Funktionen, Diagramme, etc. vereinfacht dargestellt werden (Apel, 2002). Die hohe Bedeutung von Anschauungen im Unterricht ist Teil der „ältesten didaktischen Einsichten“ (Gudjons, 1998, S. 23). Aus diesem Grund unterscheidet Raso (2018) vier grundlegende Funktionen von Visualisierungen im Unterricht. Sie werden anhand des Wirtschaftskreislaufs illustriert:

Funktionen von Visualisierungen

Visualisierungen führen dazu, dass Lernende sich aufgrund der sinnlichen Reize länger mit den Inhalten beschäftigen, die Aufmerksamkeit aufrechterhalten und gesteuert wird sowie Lerninteresse geweckt wird (z.B. Apel, 2002). Nimmt man als Beispiel den Wirtschaftskreislauf, können die Lernenden durch Symbole der einzelnen Akteure und die graphische Anordnung dazu angeregt werden, sich näher mit dem Thema zu befassen (Kognitive Aktivierung).

Visualisierungen dienen Lehrpersonen „als Erklärhilfe“ (Brüning & Saum, 2007). So kann die Lehrkraft mithilfe der Visualisierung des Wirtschaftskreislaufs besser die einzelnen Beziehungen zwischen den Akteuren erklären.

Das Verstehen von Inhalten wird durch Visualisierungen erleichtert, da dadurch eine bessere Vorstellung möglich ist und individuelle Konstrukte unterstützt werden. Die Schülerinnen und Schüler können beispielsweise anhand der Visualisierung die Unterschiede zwischen dem einfachen und dem erweiterten Wirtschaftskreislauf besser verstehen und nachvollziehen.

Inhalte werden aufgrund bildlicher Repräsentation besser eingeprägt als lediglich verbal vermittelte Inhalte (z.B. Apel, 2002). Die Darstellung mit Pfeilen und Beschriftungen hilft den Schülerinnen und Schülern, sich die Inhalte zu merken, da diese nicht nur verbal, sondern auch visuell verarbeitet werden. Im Falle des Wirtschaftskreislaufs können beispielsweise Symbole wie Hochhäuser für Banken, Häuser für die privaten Haushalte oder eine Weltkugel für den Sektor Ausland verwendet werden. 

Relevanz von Wissensstrukturen, Visualisierungen und Erklärungen im Fach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung

Spezifisch für den Wirtschaftsunterricht ist es nun bedeutend, hilfreiche Visualisierungsformen zu identifizieren und in Kategorien zu unterteilen. Mithilfe einer Literaturanalyse und der Befragung von elf Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern wurden von Raso (2018) folgende Kategorien gebildet:

Visualisierungen mithilfe grafischer Darstellungen

Grafische Strukturen: beispielsweise Kreis-, Säulen-, Balken- oder Liniendiagramme sowie auch T-Konten. Diese können vor allem Beziehungen und Abläufe verdeutlichen. 

Ikonische Strukturen: beispielsweise Bilder, Zeichnungen oder auch Fotos. Mit ihrer Hilfe können zentrale Vorstellungen vermittelt werden. Auch eine Kombination der beiden Strukturen ist möglich.

Typische Beispiele für Visualisierung ökonomischer Modelle sind der Wirtschaftskreislauf oder das Preis-Mengen-Diagramm. Hierzu finden sich bereits zahlreiche Visualisierungen im Internet, so zum Beispiel ein erweiterter Wirtschaftskreislauf oder ein interaktives Preis-Mengen-Diagramm, bei dem man verschiedene Kennwerte selbst einstellen kann.

Visualisierungen mithilfe von Menschen und Gegenständen

Mimik und Gestik der Lehrperson können ebenfalls genutzt werden, um verbale Erklärungen zu unterstützen. Durch kurze Rollenspiele oder Verteilen im Klassenraum können auch die Schülerinnen und Schüler miteinbezogen werden. Eine dritte Möglichkeit bietet das Miteinbeziehen von Gegenständen, z.B. Spielgeld.

Computergestützte Visualisierungen

Hiermit kann der Umgang mit bestimmten Programmen gezeigt werden sowie Möglichkeiten im Internet genutzt werden, z.B. Webseiten der Börse oder betriebswirtschaftliche Online-Rechner.

Für die Gestaltung graphischer Visualisierungen empfiehlt Raso (2018) Folgendes:

  • auf das Wesentliche beschränken (Übersichtlichkeit);
  • selbsterklärend gestalten (Verständlichkeit);
  • Wahrnehmungspsychologische Gestaltgesetze beachten, u.a. Anordnung, Form, Größe, Farbe, Schriftart;
  • Lesegewohnheiten beachten;
  • Wichtiges hervorheben;
  • Farben gezielt einsetzen;
  • Lesbarkeit sicherstellen. 

Der Lernerfolg ist jedoch nicht nur von der Qualität der Visualisierungen abhängig, sondern vor allem davon, wie sie im Unterricht eingesetzt werden (Schneider, 1995). Aus diesem Grund ist es wichtig, den Lernenden ausreichend Zeit zur Wahrnehmung zur Verfügung zu stellen (Gudjons, 1998). Individuelle Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler müssen ebenfalls beachtet werden (Raso, 2018). Die Lehrperson sollte die verbale Erklärung gut integrieren und im Idealfall die Visualisierung parallel erstellen oder zumindest die Aufmerksamkeit der Lernenden auf den für die Erklärung relevanten Teil lenken (Schopf, 2023). Um eine oberflächliche Verarbeitung zu vermeiden, sollte die Lehrkraft des Weiteren „explizite Verarbeitungshinweise in Form von Lese- und Interpretationshilfen“ (Raso, 2018, S. 9) zur Verfügung stellen. 

Literatur

Apel, H. J. (2002). Präsentieren - die gute Darstellung. Darstellen: Vortragen - vormachen - vorführen - visualisieren. (Bd. 3). Schneider-Verlag Hohengehren.

Brüning, L., & Saum, T. (2007). Visualisieren als Strategie erfolgreichen Unterrichts. Praxis Schule, 18(5), 6-8.

Dubs, R. (2009). Lehrerverhalten. Ein Beitrag zur Interaktion von Lehrenden und Lernenden im Unterricht (2., überarb.). Steiner.

 Bundeszentrale für politische Bildung (2016). Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. Erweiterter Wirtschaftskreislauf. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19245/erweiterter-wirtschaftskreislauf/  (zuletzt abgerufen 04.11.2024)

Gudjons, H. (1998). Anschaulicher Frontalunterricht: Hilfen zur Visualisierung. Pädagogik, 50(5), S. 23-27.

Jonassen, D. H., Beissner, K., Yacci, M., & Beissner, K. (1993). Structural Knowledge. Techniques for Representing, Conveying, and Acquiring Structural Knowledge (1. Aufl.). Routledge. https://doi.org/10.4324/9780203052563 

Kaminski, H. (2017). Fachdidaktik der ökonomischen Bildung. Ferdinand Schöningh.

Kopp, B., & Mandl, H. (2006). Wissensschemata. In H. Mandl, & H. F. Friedrich (Hrsg.), Handbuch Lernstrategien (S. 127-134). Hogrefe Verlag.

Mandler, J. M. (2014). Stories, Scripts, and Scenes. Psychology Press. https://doi.org/10.4324/9781315802459 

Raso, A. (2018). Visualisierungen zur Förderung des kognitiven Wissensaufbaus. bwp@Spezial AT-1: Wirtschaftspädagogische Forschung und Impulse für die Wirtschaftsdidaktik - Beiträge zum 12. Österreichischen Wirtschaftspädagogikkongress, 1-16.

Schneider, W. (1995). Informieren und Motivieren. Eine Einführung in die Präsentationstechnik. Ed. Hölzel Verlag.

Schopf, C. (2023). Verständlich und motivierend erklären im Wirtschaftsunterricht. Facultas Verlags- und Buchhandels AG.

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:

Haag, L., Schild, K., & Ring, M. (2024). Wissensstrukturen und Visualisierung. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/mikrodidaktik/unterrichtsplanung/wissensstrukturen-und-visualisierung (zuletzt abgerufen am [Datum]).