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Spiele und Experimente

Lucy Haag

Bei der Wahl der Unterrichtsmethode stehen der Lehrkraft grundsätzlich zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. Spiele und Experimente als Methode sind vergleichsweise jung und haben vielfältige Erscheinungsformen (Schuhen, 2005). Insbesondere durch den Einsatz digitaler Medien entstehen neue Potenziale, Spiele und Experimente im Unterricht einzusetzen (Allbauer-Jürgensen & Oberrauch, 2023). So können (wirtschafts-)wissenschaftliche Erkenntnisse auf den schulischen Alltag heruntergebrochen und vielfältige Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler geschult werden.

Spiele im Unterricht besitzen einen didaktischen Hintergrund und werden zweckgerichtet durchgeführt. Zweck ist hierbei das Erlernen bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Wissenserwerb zu bestimmten Themen. Häufig weisen Spiele im Unterricht einen experimentellen, entdeckenden Charakter auf. Die Lernenden werden mit möglichst realen Situationen konfrontiert, um sich neues Wissen explorativ erarbeiten zu können. Die entdeckende Form des Lernens kann die Schülerinnen und Schüler aktivieren (Kognitive Aktivierung) und motivieren (Meier & Seufert, 2003). 

Spiele und Experimente in der Ökonomie

Da die Wirtschaftswissenschaften weder in der Wissenschaft noch in der Vermittlung zu den experimentellen Wissenschaften gehören, sind Spiele und Experimente in den Wirtschaftswissenschaften eine relativ moderne Methode. Sie werden in der Regel genutzt, um individuelles Verhalten bzw. Handeln in ökonomischen Situationen zu testen und Entscheidungen zu hervorzurufen (Stichwort Verhaltensökonomik) (Kagel & Roth, 2020). Edward Chamberlin führte 1948 eines der ersten Marktexperimente mit seinen Studierenden durch und ließ sie dabei das Zustandekommen des Marktpreises simulieren (Chamberlin, 1948). Einer der Studenten Chamberlins, Vernon Smith, war so angetan von dem Experiment, dass er weitere Marktexperimente (Laboratory Experiments) entwickelte (Smith, 1962). Damit nahm er bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Spieltheorie, die durch ihre vielfältigen Spielarrangements die Grundlage für die heutigen ökonomischen Experimente liefert. Auch im Wirtschaftsunterricht können die genannten Experimente Anwendung finden.

Spiele und Experimente im (Wirtschafts-)Unterricht

Allgemein

Das Durchführen von Spielen und Experimenten hat heute seinen festen Platz im Wirtschaftsunterricht (Kaminski, 2017). Der ihnen innewohnende Lernprozess besteht aus der Konfrontation der Lernenden mit der Spielsituation, der Erarbeitung und Entscheidungsfindung sowie der darauffolgenden Spielphase. Anschließend werden die Ergebnisse verglichen und anhand allgemeiner Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft beurteilt (Schuhen, 2005). Spiele im Wirtschaftsunterricht können beispielsweise in Form von Rollenspielen, Planspiele, Fallbeispielen und Simulationen auftreten (Berg & Rott, 2001). Ökonomische Experimente greifen den Ansatz des erforschenden (Forschendes Lernen) oder auch explorativen Lernens auf und ermöglichen mehr Realitätsnähe im Wirtschaftsunterricht (Schlösser & Schuhen, 2011). Durch die Erfahrungen, die die Schülerinnen und Schüler bei der Durchführung von Experimenten und Spielen erlangen, lernen sie, theoretische ökonomische Zusammenhänge besser zu verstehen und in die Praxis zu übertragen (Berg & Rott, 2001).

Vorteile

Weil es für Kinder typisch ist, durch Spielen und Experimentieren zu lernen, empfinden die Lernenden diese Methode in der Regel als spannend und angenehm. Weiterhin können die Schülerinnen und Schüler so in den Prozess der Wissenserarbeitung im handlungsorientierten Unterricht einbezogen werden. Sie nehmen eine aktive Rolle im Wirtschaftsgeschehen ein, wodurch ihre Motivation gefördert wird (Meier & Seufert, 2003). Spiele und Experimente bieten eine induktive Erarbeitung (Lehrstrategie) von Inhalten. In einem Entdeckungsverfahren kann ein Zusammenhang zwischen eigenen Erfahrungen und der Theorie hergestellt werden (Kirstein & Schmidtchen, 1999). Durch Spiele und Experimente können Inhalte in einem sozialen Prozess vermittelt werden und stärken so auch soziale Kompetenzen wie die Kommunikations- und Teamfähigkeit.

Einsatz

Spiele und Experimente können sowohl analog als auch in digitaler Form im Wirtschaftsunterricht eingesetzt werden. Ein Vorteil analoger Spiele und Experimente liegt in den kommunikativen Elementen, die dazu beitragen können, die Sozialkompetenz der Lernenden zu fördern. Im Gegensatz dazu können anonyme Entscheidungen besser durch digitale Medien simuliert werden. Darüber hinaus bieten digitale Methoden teilweise funktionale Verbesserungen, wie eine digitalisierte Auswertung, und können bei der Visualisierung komplexer Sachverhalte unterstützen. Eine Kombination aus analogen und digitalen Elementen kann die genannten Vorteile verknüpfen (Allbauer-Jürgensen & Oberrauch, 2023). 

Vor- und Nachbereitung

Das Spielen und Experimentieren allein führt nicht automatisch zum Kompetenzzuwachs bzw. Lernerfolg. Entscheidend beim Einsatz im (Wirtschafts-)Unterricht sind deshalb die Vor- und Nachbereitung. Spiele und Experimente sollten in einen fachwissenschaftlichen Kontext eingebettet werden. Am Ende der Unterrichtsstunde bzw. der Unterrichtseinheit sind die Ergebnissicherung und Reflexion relevant, um den Lernerfolg zu unterstützen (Institut für Ökonomische Bildung, o. J.). Eine Studie von Weyland (2019) zeigt, dass der Einsatz ökonomischer Experimente verglichen mit traditionellen Unterrichtsmethoden zu einem größeren Lernzuwachs führen kann. Außerdem wirkten sich Experimente positiv auf die Motivation und die Fähigkeit des Problemlösens der Lernenden aus (Weyland, 2019).

Spiele und Experimente sind je nach Umfang als Teil einer Unterrichtssequenz einsetzbar, beispielsweise als Einstieg oder am Ende einer Unterrichtseinheit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Gelernten. Umfangreichere Spiele und Experimente können auch über mehrere Unterrichtsstunden eingesetzt werden.

Eine Aufzählung von möglichen Spielen und Experimenten bzw. von Datenbanken die einen Überblick über verschiedene Spiele für den Wirtschaftsunterricht bieten sind hier zu finden: 

Sammlung Spiele und Experimente                             Plattform Unterrichtsmaterial

Literatur

Allbauer-Jürgensen, M., & Oberrauch, L. (2023). Digitale ökonomische Experimente. In T. Brahm, & C. Wiepcke (Hrsg.), Handbuch digitale Instrumente der ökonomischen Bildung (S. 355-366). Wochenschau Verlag.

Berg, H., & Rott, A. (2001). Ökonomische Experimente. WiSt - Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 30(2), 113-116. https://doi.org/10.15358/0340-1650-2001-2-113 

Chamberlin, E. H. (1948). An experimental imperfect market. Journal of Political Economy, 56(2), 95-108.

Holt, C. A. (1999). Teaching Economics with Classroom Experiments: A Symposium. Southern Economic Journal, 65(3), 603-610. https://doi.org/10.2307/1060819 

Institut für Ökonomische Bildung. (o. J.). Was sind ökonomische Experimente?  https://www.ioeb.de/de/experimente.html (abgerufen am 19.08.2024)

Kagel, J. H., & Roth, A. E. (2020). The Handbook of Experimental Economics (2. Aufl.). Princeton University Press. https://doi.org/10.2307/j.ctvzsmff5 

Kaminski, H. (2017). Fachdidaktik der ökonomischen Bildung. Ferdinand Schöningh.

Kirstein, R., & Schmidtchen, D. (1999). Wie die „unsichtbare Hand“ funktioniert: Gewinnmaximierung als Triebfeder der Effizienz. Ein „classroom-experiment“, CSLE Discussion Paper, No. 99-05. Center for the Study of Law and Economics (CSLE). https://www.econstor.eu/bitstream/10419/23058/1/9905expe.pdf 

Meier, C., & Seufert, S. (2003). Game-based learning: Erfahrungen mit und Perspektiven für digitale Lernspiele in der beruflichen Bildung. In A. Hohenstein, & K. Wilbers (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Fachverlag Deutscher Wirtschaftsdienst, Ergänzungslieferung 5.

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. (2016). Bildungsplan 2016. Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung (WBS). http://www.bildungsplaene-bw.de/site/bildungsplan/get/documents/lsbw/export-pdf/depot-pdf/ALLG/BP2016BW_ALLG_GYM_WBS.pdf

Schlösser, H. J., & Schuhen, M. (2011). Mit Ökonomischen Experimenten Wirtschaft erleben. In T. Retzmann (Hrsg.), Methodentraining für den Ökonomieunterricht II (S. 57-74). Wochenschau Verlag.

Schuhen, M. (2005). Ökonomische Experimente (Classroom Experiments). In Sowi-online Methodenlexikon. https://www.sowi-online.de/praxis/methode/oekonomische_experimente_classroom_experiments.html (abgerufen am 24.10.2024)

Smith, V. L. (1962). An Experimental Study of Competitive Market Behavior. Journal of Political Economy, 70(2), 111-137. 

Weyland, M. (2019). Experimentelles Lernen im Ökonomieunterricht - wirksam, effizient, unverzichtbar? Zeitschrift für ökonomische Bildung, 8, 1-26.

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:

Haag, L. (2024). Spiele und Experimente. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/mikrodidaktik/methodische-umsetzung/spiele-und-experimente (zuletzt abgerufen am [Datum]).