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Die Bedeutung der Wirtschaftslehrperson

Taiga Brahm

Die Lehrperson ist zentral für das Gelingen von gutem Wirtschaftsunterricht. Dabei gibt es kein „festes Set von Eigenschaften und Verhaltensweisen […], das den perfekten Lehrer ausmacht“ (Terhart, 2006, S. 42). Dies liegt unter anderem daran, dass die Zielvorstellung einer „guten“ Lehrperson kultur- und milieuspezifisch geprägt ist und unterschiedliche Indikatoren für die „Qualität“ einer Lehrperson herangezogen werden können (Terhart, 2006). Statt der Frage nach der perfekten Lehrkraft nachzugehen, untersucht die empirische Forschung zur Professonalisierung von Lehrerinnen und Lehrern daher den Zusammenhang zwischen bestimmten Merkmalen von Lehrpersonen (wie beispielsweise Persönlichkeit, Einstellungen und Überzeugungen, Fachwissen, fachdidaktischem Wissen oder pädagogischem Wissen) und so genannten Outputfaktoren (wie beispielsweise der Leistung der Schülerinnen und Schüler und der Unterrichtsqualität). Entsprechend ist die Lehrperson auch in den verschiedenen Angebots-Nutzungs-Modellen von Unterricht (Lernvoraussetzungen bestimmen) zentral (z.B. Seidel, 2014). Historisch gesehen hat sich der Fokus der Forschung zu Lehrpersonen von inhärenten, unveränderbaren Persönlichkeitsmerkmalen („Persönlichkeitsparadigma“) auf trainierbare und erlernbare Fertigkeiten („Prozess-Produkt-Paradigma“) und die Entwicklung von Professionswissen und (Meta-) Reflexivität („Expertenparadigma“) verschoben (Terhart, 2006). Übergreifend werden verschiedene Dimensionen von Professionswissen unterschieden, die eine gute (Wirtschafts-)Lehrperson ausmachen. 

Fachliches und fachdidaktisches Wissen

Das Professionswissen besteht aus Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen (Baumert & Kunter, 2006; Shulman, 2013). Dabei gilt fachliches Wissen als eine Voraussetzung für fachdidaktisches Wissen und beide „Wissensarten“ hängen auch in empirischen Studien im Regelfall stark zusammen. Fachwissen ist einer der stärksten Prädiktoren für guten Unterricht (z.B. Baumert et al., 2010). Diese wichtige Bedeutung des Fachwissens zeigt sich in verschiedenen Schulfächern. Für das Fach Wirtschaft gibt es insbesondere Untersuchungen aus der kaufmännischen Berufsbildung (z.B. Holtsch & Sticca, 2018) sowie aus Subdomänen wie dem Rechnungswesen (z.B. Helm & Mayer, 2016). Im allgemeinbildenden Bereich liegen nur vereinzelt Studien vor (z.B. Retzmann & Bank, 2013). Neben dem ökonomischen Wissen wird in verschiedenen Untersuchungen auch die Bedeutung der ökonomischen Einstellung hervorgehoben. Die ökonomische Einstellung bezeichnet dabei die „Einstellung zur Einnahme einer wirtschaftlichen Perspektive“ (Siegfried, 2019, S. 595) . Dabei zeigte sich, dass eine positive ökonomische Einstellung mit einer höheren Lernleistung der Schülerinnen und Schüler zusammenhängt, was auf eine enthusiastischere Gestaltung des Wirtschaftsunterrichts zurückgeführt wird (Dills & Placone, 2008; Grimes et al., 2009). 

Das Fachwissen ist auch bedeutsam für die fachdidaktischen Entscheidungen, d.h. für alle mikrodidaktischen Entscheidungen ( Mikrodidaktische Planungen) im Zusammenhang mit der Gestaltung des Wirtschaftsunterrichts. Dabei zeigt eine Studie von Holtsch (2018) einen Zusammenhang zwischen fachlichem und fachdidaktischem Wissen. Unter dem fachdidaktischen Wissen werden verschiedene Teilbereiche einer professionellen Lehrperson zusammengefasst: verständliches Erklären (z.B. Schopf & Zwischenbrugger, 2015), das Erkennen der (Fehl-)Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern (z.B. Friebel et al., 2013) wie auch die kognitive Aktivierung (Arndt, 2015). 

Pädagogisches Wissen und Können

Zusätzlich zum fachlichen und fachdidaktischen Wissen sind auch die pädagogischen Kompetenzen einer Lehrperson für guten Unterricht relevant. Diese umfassen beispielsweise Wissen und Fertigkeiten im Hinblick auf bildungswissenschaftliche und erziehungswissenschaftliche Grundlagen, Konzeption und Planung von Unterricht (Unterrichtsplanung Prozessmodell), Klassenführung und die Gestaltung von Lerngelegenheiten. Dabei werden heute die sogenannten Tiefenstrukturen bzw. Grundbedingungen des schulisch organisierten Lernens betont (z.B. Kunter & Trautwein, 2013; Seidel & Shavelson, 2007): 

  • Effiziente Klassenführung (Nutzung der Unterrichtszeit für Stoffbehandlung, klare und verständliche Struktur des Unterrichts, Antizipation von Störungen und entsprechende Gegenmaßnahmen etc.)
  • Unterstützendes, schüler:innenorientiertes Sozialklima (konstruktiver Umgang mit Fehlern, Trennen von Prüfungs- und Leistungssituation, Feedbackkultur etc.)
  • Kognitive Aktivierung je nach Fachkontext (Aufgaben, die an den Wissenstand der Schülerinnen und Schüler angepasst sind, schüler:innenorientierte Problemstellung etc.). (Kognitive Aktivierung)

Diese drei grundlegenden Dimensionen wurden durch das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg in einem Unterrichtsbeobachtungsbogen abgebildet (z.B. Fauth et al., 2022).

zum Weiterlesen

Kompetenz von angehenden Wirtschaftslehrkräften: Siegfried, C., & Wuttke, E. (2016). How can Prospective Teachers Improve their Economic Competence? Zeitschrift Für Ökonomische Bildung, 04, 65-86.

Klitzsch, M. (2022). Mit scheinbar banalen Fragen „zum Herzstück von pädagogischen Prozessen“. Online-Magazin Campus Schulmanagement. https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/mit-scheinbar-banalen-fragen-zum-herzstueck-von-paedagogischen-prozessen

Literatur

Arndt, H. (2015). Kognitive Aktivierung in der Ökonomischen Bildung. Wochenschau Verlag.

Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469-520. doi.org/10.1007/s11618-006-0165-2 

Baumert, J., Kunter, M., Blum, W., Brunner, M., Voss, T., Jordan, A., Klusmann, U., Krauss, S., Neubrand, M., & Tsai, Y.-M. (2010). Teachers’ Mathematical Knowledge, Cognitive Activation in the Classroom, and Student Progress. American Educational Research Journal, 47(1), 133-180. doi.org/10.3102/0002831209345157 

Dills, A., & Placone, D. (2008). Teacher characteristics and student learning. Journal of Economics and Economic Education Research, 9(3), 15-28.

Fauth, B., Ruth-Herbein, E., Klein, G., & Riecke-Baulecke, T. (2022). Unterricht beobachten und gemeinsam weiterentwickeln: Wie ZSL und IBBW den Unterrichtsfeedbackbogen verstehen. bildung & wissenschaft, 1-2, 28-30.

Friebel, S., Kirchner, V., & Loerwald, D. (2013). Der regionale Wirtschaftsraum als sozialer Aneignungsraum für Schülerinnen und Schüler. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde. Zeitschrift für ökonomische Bildung, 02, 42-61.

Grimes, P. W., Millea, M. J., & Campbell, R. C. (2009). The transition to market-based economic education: Evaluating program effectiveness in Kazakhstan. Perspectives on Economic Education Research, 5(1), 33-59.

Helm, C., & Mayer, S. A. (2016). Pedagogical Content Knowledge von Rechnungswesenlehrkräften - Explorative Befunde einer Onlinebefragung aus Österreich. In J. Seifried, S. Seeber, & B. Ziegler (Hrsg.), Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2016 (1. Aufl., S. 171-188). Verlag Barbara Budrich. doi.org/10.2307/j.ctvbkjztw.14 

Holtsch, D. (2018). Zur professionellen Kompetenz von Lehrpersonen. In D. Holtsch, & F. Eberle (Hrsg.), Untersuchungen zu Lehr-Lernprozessen im kaufmännischen Bereich. Ergebnisse aus dem Leading House LINCA und Schlussfolgerungen für die Praxis (S. 129-158). Waxmann.

Holtsch, D., & Sticca, F. (2018). Zusammenhänge zwischen der professionellen Kompetenz der Lehrpersonen und subjektiver Unterrichtswahrnehmung von kaufmännischen Lernenden. In D. Holtsch, & F. Eberle (Hrsg.), Untersuchungen zu Lehr-Lernprozessen im kaufmännischen Bereich. Ergebnisse aus dem Leading House LINCA und Schlussfolgerungen für die Praxis (S. 171-178). Waxmann. www.zora.uzh.ch/id/eprint/152223/

Kunter, M., & Trautwein, U. (2013). Psychologie des Unterrichts (1. Aufl., Bd. 3895). utb GmbH. doi.org/10.36198/9783838538952 

Retzmann, T., & Bank, V. (2013). Fachkompetenz von Wirtschaftslehrerinnen und -lehrern. Untersuchungen zur Entwicklung eines bedarfsdiagnostischen Instruments. Zeitschrift für ökonomische Bildung, 1, 6-26.

Schopf, C., & Zwischenbrugger, A. (2015). Verständliche Erklärungen im Wirtschaftsunterricht. Eine Heuristik basierend auf dem Verständnis der Fachdidaktiker/innen des Wiener Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik. Zeitschrift für ökonomische Bildung, 03, 1-31. doi.org/10.7808/8087.1 

Seidel, T. (2014). Angebots-Nutzungs-Modelle in der Unterrichtspsychologie. Integration von Struktur- und Prozessparadigma. Zeitschrift für Pädagogik, 60(6), 850-866. doi.org/10.25656/01:14686 

Seidel, T., & Shavelson, R. J. (2007). Teaching Effectiveness Research in the Past Decade: The Role of Theory and Research Design in Disentangling Meta-Analysis Results. Review of Educational Research, 77(4), 454-499. doi.org/10.3102/0034654307310317 

Shulman, L. S. (2013). Those Who Understand: Knowledge Growth in Teaching. The Journal of Education, 193(3), 1-11.

Siegfried, C. (2019). Wirtschaftswissenschaftliche Lerngelegenheiten als notwendiger Bestandteil der universitären Ausbildung von allgemeinbildenden Lehramtsstudierenden in der Domäne Wirtschaft. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 22(3), 593-616. doi.org/10.1007/s11618-019-00873-5 

Terhart, E. (2006). Was wissen wir über gute Lehrer? Pädagogik, 58(5), 42-47.

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

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Brahm, T. (2024). Die Bedeutung der Wirtschaftslehrperson. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.). Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: wirtschaft-unterrichten.de/einfuehrung/wirtschaftsdidaktische-professionalitaet/bedeutung-der-lehrperson (zuletzt abgerufen am [Datum]).