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Lehrstrategie

Malte Ring und Taiga Brahm

Ein Ziel von Lehrpersonen ist es, Einfluss auf die individuellen Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler zu nehmen. Dabei stellt sich die Frage, wie dabei vorzugehen ist bzw. welche Strategie angewandt werden soll. In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen für den Begriff der Vorgehensweise. In der Allgemeinen Didaktik und in der empirischen Lehr-Lern-Forschung wird beispielsweise von Unterrichtsmethoden, -modellen oder -skripten, Lehrstrategien oder Lehrformen gesprochen (Gold, 2008). Nach Dorsch et al. (2014) sind Lehrstrategien

„…globale unterrichtliche Konzepte, welche benutzt werden, um Lernprozesse (Lehr-Lern-Prozesse) zu initiieren und Lehrziele zu realisieren. Optimal entwickelt sind Lehrstrategien, wenn sie sich an den individuellen Voraussetzungen der Lernenden (kognitiv, motivational, emotional) orientieren und die intendierten, mehr oder weniger klar umrissenen Lehrziele erreichen können“

Für Lehrende geht es an diesem Punkt darum, wie Inhalte im Unterricht vermittelt und von den Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden sollen. Grundsätzlich existieren viele unterschiedliche methodische Vorgehensweisen des erfolgreichen Unterrichts. Dabei geht die empirische Bildungsforschung zunehmend davon aus, dass es nicht eine „perfekte“ Lehr- oder Lernform gibt, sondern dass unterschiedliche Varianten des Unterrichts für unterschiedliche Schülerinnen und Schüler besser oder schlechter zum Lernen geeignet sind (für den Politikunterricht z.B. Götzmann, 2022). So können individuelle Ziele unterschiedlich gut erreicht werden. Wichtig ist eine professionelle Unterrichtsgestaltung im Hinblick auf die Tiefenstrukturen von Lehr-Lern-Prozessen (Kognitive Aktivierung).

Induktive und deduktive Lehrstrategie

Die kognitiven Lehrstrategien lassen sich in induktive und deduktive Lehrstrategien unterteilen. Die induktive Lehrstrategie ist dadurch charakterisiert, dass von einem konkreten Beispiel zum allgemeinen Prinzip hingearbeitet wird. Die Lernenden sollen mit Hilfe von verschiedenen Beispielen Gemeinsamkeiten, Unterschiede und andere Merkmale finden, um anschließend Hypothesen im Hinblick auf eine grundsätzliche Regel aufzustellen. Aus den gesammelten Erkenntnissen wird eine Definition oder eine allgemein anwendbare Struktur in Form eines Satzes, eines Hefteintrages oder mit Hilfe einer anderen Wissensstruktur festgehalten (Wilbers, 2014). Mithilfe der erarbeiteten Strukturen können sich die Schülerinnen und Schüler weitere Einzelfälle erarbeiten.

Die deduktive Lehrstrategie verfährt genau umgekehrt. Bei ihr ist der Ausgangspunkt ein Satz, eine Definition oder eine andere Art der Wissensstruktur. Nach dem Erhalt der Definition ist es Aufgabe der Lernenden, selbst Beispiele und Nicht-Beispiele zu finden, um von der konkreten Definition auf verschiedene Einzelfälle zu blicken (Wilbers, 2014). Die Schülerinnen und Schüler setzen sich also bereits zu Beginn der Unterrichtsstunde mit den theoretischen Grundlagen des Themas auseinander und wenden diese im weiteren Verlauf fallbezogen an.

Methodische Umsetzung von Lehrstrategien im Wirtschaftsunterricht

Hasselhorn & Gold (2017) unterteilen die Lehrstrategien in drei größere Kategorien. Die erste Kategorie bilden „die darstellenden (darbietenden) Methoden der direkten und der adaptiven Instruktion“ (Hasselhorn & Gold, 2017, S. 256). Hier bringen die Lehrperson aktiv und sichtbar die Lerninhalte dar, weshalb sie auch häufig als „lehrer:innenzentriert“ bezeichnet werden (Hasselhorn & Gold, 2017). Eine stärker schüler:innengesteuerte Sichtweise wird in der zweiten Kategorie, dem entdeckenden Lernen bzw. dem entdeckenlassenden Lehren, vertreten. Hier wird die selbstständige und eigenverantwortliche Entwicklung von Kompetenzen ins Zentrum gerückt. Neben den bereits genannten Kategorien gibt es auch noch die Kategorie der kooperativen Lehrmethoden (Hasselhorn & Gold, 2017). Auch hier wird weniger lehrer:innengeleitet unterrichtet, stattdessen stehen die Interaktionsprozesse der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund, die den Wissensaufbau ermöglichen und vorantreiben (Hasselhorn & Gold, 2017). Es ist nicht möglich, diese methodischen Großformen mit den Lehrstrategien gleichzusetzen, z.B. kann kooperatives Lernen sowohl mit deduktiven als auch mit induktiven Lehrstrategien kombiniert werden.

Bei den darstellenden Methoden leitet die Lehrperson das Unterrichtsgeschehen. Die zu erlernenden Wissensinhalte und Fertigkeiten werden durch Erläuterungen und Vorführungen seitens der Lehrperson vermittelt (Hasselhorn & Gold, 2017). Dadurch eignet sich die Methode insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit geringem Vorwissen. Diese profitieren in der Regel mehr davon , wenn sie mit bereits vorbereiteten Beispielen konfrontiert werden („Worked Example Effect“, beispielsweise Tuovinen & Sweller (1999)). Dieses Vorgehen wird im Wirtschaftsunterricht beispielsweise genutzt, um neue und komplexe Themen zu erklären.

Der Unterschied zwischen der direkten und der adaptiven Instruktion besteht darin, dass bei letzterer eine stärkere Anpassung an die Schülerinnen und Schüler erfolgt. So werden beispielsweise die Unterrichtszeit, die Lernziele oder weitere unterrichtliche Aspekte mit den Bedürfnissen der Lernenden abgestimmt (Hasselhorn & Gold, 2017).

Im Vergleich zur direkten Instruktion wird beim entdeckenden Lernen die Lehrer:innensteuerung reduziert, um eine stärkere Selbststeuerung durch die Lernenden zu erreichen. Anstelle vorbereiteter Erklärungen und Darbietungen der Lehrperson werden die Schülerinnen und Schüler dazu angeregt, Probleme fragenderkundend zu lösen (Problemorientierung). Dabei werden sie durch die Lehrperson unterstützt. Die Lernenden befinden sich beispielsweise in Kleingruppen und behandeln ein komplexes Problem, indem sie gemeinsam oder individuell Hypothesen bilden, diese dynamisch überprüfen und dabei, falls nötig, Hilfestellungen durch die Lehrperson erhalten (Hasselhorn & Gold, 2017) (Forschendes Lernen). Eine gut überlegte Auswahl von Problemen ist von großer Bedeutung: Die Lernenden müssen herausgefordert und aktiviert werden, damit sie sich auf den Lernprozess einlassen. Im Hinblick auf den Wirtschaftsunterricht ist dieses Vorgehen beispielsweise bei einem Vergleich von verschiedenen Rechtsformen denkbar oder kann mit Hilfe von Planspielen umgesetzt werden (Planspiele).

Hameyer & Rößer (2008) schlagen eine Abfolge von drei Phasen für die Umsetzung im Unterricht vor:

  • Konfrontationsphase: Vorstellung eines unbekannten Problems
  • Entdeckungsphase: Selbständige und aktive Suche nach einer Problemlösung
  • Diskussion: Erprobung der verschiedenen Problemlösungen

Bei der kooperativen Lehrstrategie arbeiten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam in kleinen Gruppen, um sich gegenseitig bei der Entwicklung von Kompetenzen zu unterstützen. Die Lehrperson rückt während des Lernprozesses in den Hintergrund, wodurch ein lerner:innenzentriertes Umfeld entsteht. Die Lerngruppen bestehen dabei üblicherweise aus drei bis fünf Personen. Ziel des kooperativen Lernens ist nicht nur die Erreichung kognitiver, sondern auch motivationaler und emotionaler Lernziele. Daher wird mit dem kooperativen Lernen auch eine sozial-integrative Wirkung verbunden (Hasselhorn & Gold, 2017).

Johnson & Johnson (1994) haben die kooperative Methode in drei Hauptgruppen charakterisiert:

  • Kooperative Zielstruktur: Aufgaben und Problemlösungen werden nur dann erreicht, wenn alle anderen Gruppenmitglieder auch ihre individuellen Lernziele erreichen -> positive Interdependenz, z.B. Beitrag zu einem Poster zu den 4 P im Marketing, wo nur durch den Beitrag aller Teammitglieder das Thema komplett bearbeitet wird. 
  • Kompetitive Zielstruktur: Zielerreichung und Bewertung der Leistung und des Ergebnisses findet zwischen den Gruppenmitgliedern statt -> negative Interdependenz, Schülerinnen und Schüler kooperieren während der Erarbeitung, werden am Ende jedoch individuell bewertet
  • Individualistische Zielstruktur: Lernende können ihre Ziele unabhängig voneinander erreichen -> keine Interdependenz

Die genannten Zielstrukturen werden im Wirtschaftsunterricht je nach Aufgabe und Ziel angewendet. Kooperative Zielstrukturen werden beispielsweise bei Projekten und Planspielen genutzt, kompetitive Zielstrukturen ebenso bei Präsentationen und/oder Projekten oder Klassenarbeiten. Individualistische Zielstrukturen finden besonders bei Klassenarbeiten Anwendung.

Literatur

Dorsch, F., Wirtz, M. A., & Strohmer, J. (2014). Lexikon der Psychologie (17. vollst. überarb. Aufl.). Verlag Hans Huber.

Gold, A. (2008). Lehrstrategien. In W. Schneider, & M. Hasselhorn (Hrsg.), Handbuch der Pädagogischen Psychologie (S. 245-255). Hogrefe.

Götzmann, A. (2022). Erkenntnisse zu Unterrichtsmethoden im Politikunterricht. In G. Weißeno, & B. Ziegler (Hrsg.), Handbuch Geschichts- und Politikdidaktik (S. 1-13). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29673-5_14-1 

Hameyer, U., & Rößer, B. (2008). Entdeckendes Lernen. In J. Wiechmann, & S. Wildhirt (Hrsg.), Zwölf Unterrichtsmethoden. Vielfalt für die Praxis (4., überarb. Aufl., S. 129-143). Beltz.

Hasselhorn, M., & Gold, A. (2017). Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren (4. aktualisierte Aufl.). Verlag W. Kohlhammer.

Johnson, D. W., & Johnson, R. T. (1994). Learning Together and Alone. Cooperative, Competitive, and Individualistic Learning (4. Aufl.). Allyn and Bacon.

Tuovinen, J. E., & Sweller, J. (1999). A comparison of cognitive load associated with discovery learning and worked examples. Journal of Educational Psychology, 91(2), 334-341. https://doi.org/10.1037/0022-0663.91.2.334 

Wilbers, K. (2014). Wirtschaftsunterricht gestalten. Eine traditionelle und handlungsorientierte Didaktik für kaufmännische Bildungsgänge (2. überarb. Aufl.). epubli.

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:

Ring, M., & Brahm, T. (2024). Lehrstrategie. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/mikrodidaktik/unterrichtsplanung/lehrstrategie (zuletzt abgerufen am [Datum]).