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Schüler:innenfirma

Vera Kirchner und Isabelle Penning

Als Schüler:innenfirma beschreibt man eine handlungsorientierte Simulationsmethode, mit der Schüler:innen möglichst eigenverantwortlich in simulierten unternehmerischen Strukturen und Handlungsabläufen tätig werden können. Sie stellt eine Möglichkeit dar, um ökonomisches Lernen beispielsweise mit der Beruflichen Orientierung und je nach inhaltlicher Ausrichtung auch mit technischer Bildung oder Ernährungsbildung sowie fächerübergreifenden Bildungsanliegen wie der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), der Verbraucher:innenbildung oder der digitalen Bildung zu verbinden (Weber, 2011). Schüler:innenfirmen arbeiten vielfach mit Kooperationspartner:innen zusammen wie beispielsweise lokalen Unternehmen, so dass sie auch Potential zum planvollen Einsatz von Praxiskontakten und der Öffnung von Schule bieten. Darüber hinaus leisten sie vielerorts einen auch aus (sozial-)pädagogischer Sicht wertvollen Beitrag zum Schulleben (Zimmermann, 2022). Weitere Motive zur Initiierung einer Schüler:innenfirma liegen in der Förderung von Unternehmergeist, einer Orientierung in der Berufs- und Arbeitswelt, der Förderung von Schlüsselkompetenzen (wie z.B. Selbständigkeit, Verantwortungsübernahme etc.) sowie ökonomischen Fachkompetenzen vor allem im Bereich der Unternehmung (Grewe & Brahm 2019).

Merkmale der Methode Schüler:innenfirmen

Schüler:innenfirmen (fachlich präziser wäre Schüler:innenunternehmen) stellen eine Unterrichtsmethode dar, in denen die organisatorischen und operativen Strukturen von Unternehmen nachgebildet werden und die Lernenden zentrale Rollen innerhalb des Unternehmens übernehmen. Der Lehrperson, die im Hintergrund die Verantwortung für das Vorhaben übernimmt, wird pädagogisch eine zurückhaltende Position zugeschrieben, die möglichst eine prozess- und bedarfsorientierte Unterstützung anbieten soll (Penning, 2018). Als schulische Projekte stehen bei Schüler:innenfirmen primär pädagogische und fachliche sowie fachdidaktische Zielsetzungen im Vordergrund, daher ist das Streben nach einem möglichst hohen Gewinn im Zweifelsfall diesen unterzuordnen. Gleichwohl wird im Sinne der Nachbildung unternehmerischen Handelns das kostendeckende und gewinnbringende Arbeiten unter wirtschaftlichen Risiken angestrebt. Durch diesen vergleichsweise hohen Realitätsbezug können Schüler:innenfirmen von anderen methodischen Settings wie Lernbüros (fiktive Produkt- und Geldströme sowie fiktive Außenkontakte) und Übungsfirmen abgegrenzt werden (fiktive Produkt- und Geldströme, aber reale Außenkontakte v.a. über Übungsfirmennetzwerke).

Schüler:innenfirmen sind an verschiedenen Schulformen zu finden. Der Grad ihrer schulischen Einbettung variiert dabei, von der Einbindung als freiwilliges Angebot im schulischen Ganztag bis hin zur unterrichtlichen Verankerung oder in fachübergreifenden Bildungsangeboten. Im Folgenden wird ein idealtypischer Ablauf von Schüler:innenfirmen beschrieben, wobei diese in der Praxis vielfach auf einzelne Phasen und die Durchführung reduziert wird. Aus fachdidaktischer Sicht ist zu betonen, dass insbesondere die möglichst eigenständige Planung und Vorbereitung durch die Schüler:innen und die Reflexion des Vorhabens aus pädagogischer Sicht wie auch für den fachlichen Erkenntnisgewinn wesentlich sind.

Ablauf einer Schüler:innenfirmengründung

Der Gründungsprozess einer Schüler:innenfirma orientiert sich an realen Unternehmensgründungen, ist aber grundsätzlich als didaktisch geplanter Lehr-Lernprozess zu verstehen, bei dem der Reflexionsphase als querliegender Phase eine besondere Bedeutung zukommt. Eine Schülerfirma durchläuft dabei nach Weber (2011) klassischerweise fünf Phasen:

  1. In der Planungsphase steht die Geschäftsidee im Fokus, die die Schüler:innen über eine Marktanalyse und häufig unter Verwendung von Kreativitätstechniken finden und die in einem Businessplan dokumentiert wird.

  2. Während der Gründungsphase werden die Voraussetzungen für den Geschäftsbetrieb geschaffen. Hierzu gehört beispielsweise die institutionelle Verankerung in der Schule wie auch die Finanzierung, die Leistungserstellung und die Entwicklung von Marketingstrategien.

  3. In der Geschäftsphase steht die Organisation einer effizienten Leistungserstellung und -verwertung im Vordergrund, dabei wird die Arbeitsteilung von den Schüler:innen realisiert. Hierzu wird die entwickelte Ablauf- und Aufbauorganisation der Schüler:innenfirma in verschiedene Abteilungen (Geschäftsführung, Finanzabteilung, Einkauf, etc.) konkretisiert und überprüft.

  4. Die unternehmerischen Aktivitäten werden in der Auswertungsphase ausgewertet. Das Erstellen einer Gewinn- und Verlustrechnung und das Verfassen eines Geschäftsberichts sind hierbei zentrale Meilensteine.

  5. Die Reflexionsphase umfasst zwei Reflexionsebenen: zum einen wird das Modell der Schüler:innenfirma mit der Realität verglichen und zum anderen wird die individuelle Kompetenzentwicklung der Schüler:innen reflektiert.

Qualitätskriterien und Lernziele der Schüler:innenfirmenarbeit

Nach Meier und Meschenmoser (2009) sowie Penning (2017) lassen sich verschiedene Qualitätskriterien der Schüler:innenfirmenarbeit beschreiben, die sich nach fachlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Aspekten ordnen lassen und Ergebnis, Prozess und Struktur der Schüler:innenfirma betreffen (Meier & Meschenmoser, 2009; Penning, 2017). Aus fachdidaktischer Sicht ist es beispielsweise relevant, inwiefern es im Rahmen des Projekts gelingt, arbeitsweltbezogene Basiskompetenzen zu erlangen; aus fachlicher Sicht, ob es gelingt, betriebliche Abläufe realitätsnah durchzuführen und aus pädagogischer Sicht, dass die Lernenden möglichst eigenständig in der Schülerfirma agieren. Mit Blick auf den Kompetenzerwerb der Schüler:innen lassen sich Lernziele beschreiben, die darauf abzielen, dass die Schüler:innen eine unternehmerische Perspektive (Entrepreneurship Education)einnehmen und für ihre eigene Berufliche Orientierung (Berufliche Orientierung) Einblicke und Möglichkeiten der Erprobung von Fähigkeiten in Hinblick auf unternehmerische Selbständigkeit, aber auch Einblicke aus der Perspektive von Beschäftigten in exemplarischen Berufsfeldern erhalten. Mit Blick auf überfachliches Lernen sind vielfältige Potenziale denkbar. Beispielhaft genannt werden können Verantwortungsübernahme, Selbständigkeit, Problemlösefähigkeit und Kommunikation.

Chancen und Herausforderungen

Wie viele andere umfangreiche Makromethoden auch ist die Schüler:innenfirma grundsätzlich eine organisatorisch und zeitlich herausfordernde Methode (Methoden im Wirtschaftsunterricht), die vor allem zu Beginn einen großen Einsatz der initiierenden und betreuenden Lehrperson erfordert. Das Anforderungsprofil an die Lehrperson (Bedeutung der Lehrperson) ist vielfältig und nur mit dem Rückhalt der Schulleitung und unter Einbezug verschiedener anderer unterstützender Akteure sinnhaft zu bewältigen. Vielfach werden Schüler:innenfirmen auch fachfremd betreut und sind nur unzureichend an den Unterricht angebunden. Dies erschwert eine fachliche Rückkopplung und die Aufarbeitung der Praxiserfahrungen in Hinblick auf ökonomische Theorie. Eine unterrichtliche Anbindung ist auch deshalb wesentlich, um die einzelwirtschaftliche Perspektive in Bezug zu gesamtgesellschaftlichen Belangen zu setzen und Unterschiede zum unternehmerischen Handeln auf realen Märkten herauszuarbeiten. Vieles an dem Schüler:innenfirmensetting, beispielsweise in Hinblick auf die Wettbewerbssituation des Unternehmens, das nur sehr eingeschränkte unternehmerische Risiko, die Nachfragesituation in der Schule, aber auch die Personalkosten, ist nicht mit realen Unternehmen zu vergleichen. Dies muss unterrichtlich aufgearbeitet werden, um Fehlschlüsse zu vermeiden und die Erfahrungen aus dem Gründungsgeschehen in der Schule auch mit Blick auf die Berufliche Orientierung der Lernenden zu analysieren. In diesem Sinne kann es nicht Ziel von Schüler:innenfirmenarbeit an allgemeinbildenden Schulen sein, eine unreflektierte Gründungseuphorie zu erzeugen. Insbesondere mit Blick auf die Berufliche Orientierung wird in der Methode Schüler:innenfirma vielfach die Chance gesehen, neben ökonomischen auch übergreifende Kompetenzen zu fördern und exemplarische Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erlangen (Bothe & Schöler, 2017). Hierbei werden insbesondere Selbstwirksamkeitserfahrungen, die im Rahmen der Methode Schüler:innenfirma potenziell gemacht werden, als Schlüssel für die Entwicklung von Berufsorientierungskompetenz angesehen (ebd.). Dieses Potenzial und das grundlegende Gestaltungsprinzip des handlungsorientierten Lernens (Tübinger Modell) sind möglicherweise auch Gründe für die Bedeutsamkeit von Schüler:innenfirmen im Kontext der sonderpädagogischen Förderung (Penning, 2023).

Infokasten: Online-Ressourcen rund um das Thema Schüler:innenfirma

Für die Methode Schüler:innenfirmen existieren mehrere bundesweite und regionale Netzwerke und Initiativen, die sich diesem Themenfeld widmen: 

Literatur

Bothe, N. & Schöler, T. (2017). Vertiefte Berufsorientierung in der Schülerfirma. In T. Brüggemann, K. Driesel-Lange & C. Weyer (Hrsg.), Instrumente zur Berufsorientierung. Pädagogische Praxis im wissenschaftlichen Diskurs (S. 271-286). Münster.

Frank, B., Sansour, T. & Zentel, P. (2015). Schülerfirmen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (1). Pädagogische Impulse 49 (1), 9–24.

Grewe, U. & Brahm, T. (2019). Kompetenzorientierung in der Entrepreneurship Education - Wie kann die unternehmerische Kompetenz operationalisiert werden? In T. Bijedic, I. Ebbers & B. Halbfas (Hrsg.). Entrepreneurship Education (S. 133-150). Schwalbach/Ts. 

Kaiser, F.J. & Kaminski, H. (2012). Schülerfirmen. In F.J. Kaiser & H. Kaminski, Methodik des Ökonomieunterrichts. Grundlagen eines handlungsorientierten Lernkonzepts (S. 223-236). Bad Heilbrunn.

Meier, B. & Meschenmoser, H. (2009). Qualitätssicherung in Schülerfirmen. Indikatorengestütztes Qualitätsraster zum Lehren und Lernen in einem arbeitsorientierten Lernarrangement. Unterricht Arbeit + Technik 41 (11), 54–57.

Penning, I.  (2023). Wirtschaft-Arbeit-Technik. Sonderpädagogischer Schwerpunkt Geistige Entwicklung. Schule und Unterricht bei intellektueller Beeinträchtigung, Band 1. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.

Penning, I. (2017). Schülerfirmen aus der Sicht von Lehrenden. Wiesbaden.

Weber, B. (2011). Schülerfirmen als Gegenstand und Methode der ökonomischen Bildung. In T. Retzmann (Hrsg.), Methodentraining für den Ökonomieunterricht (S. 185-204). Schwalbach Ts.

Zimmermann, S. (2022). Soziale Arbeit und Selbstwirksamkeit. Die Chancen der Schüler*innenfirma als ganzheitliches Konzept. Bielefeld: transcript (Pädagogik).

zuletzt aktualisiert: 13.10.2025

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