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Umgang mit Unterrichtsmaterialien im Wirtschaftsunterricht

Vera Kirchner und Celine Maerz

Unter dem Begriff Unterrichtsmaterialien werden alle Arten von Materialien verstanden, die im Unterricht zum Einsatz kommen können. Zumeist sind damit Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen (Aufgaben) gemeint, die in einem Print- oder digitalen Format zur Verfügung gestellt werden. Je nach Perspektive dienen Unterrichtsmaterialien aus Sicht der Lehrenden zur Unterstützung des geplanten Unterrichts und stellen Inhalte, Aufgaben und methodische Ansätze für den Unterricht und die Lernenden bereit. Aus fachdidaktischer Perspektive bietet sich die Gelegenheit, durch entsprechende Materialien aktuelle fachliche und fachdidaktische Themen für den Unterricht aufzubereiten (Kaminski & Loerwald, 2015). Für die Schüler:innen als wesentliche Adressatinnen und Adressaten von Unterrichtsmaterialien erscheinen Lebensweltnähe (Tübinger Modell) (Fridrich, 2020) wie auch Aktualität und ansprechende Gestaltung (Medien im Wirtschaftsunterricht) als relevante Beurteilungskriterien.

Neben selbst erstellten oder mit anderen Kolleg:innen ausgetauschten Materialien können Lehrpersonen auf Angebote verschiedener Anbieter zurückgreifen. Unterrichtsmaterialien werden beispielsweise durch Landesinstitute, Verlage, Fachberater:innen oder wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitäten, Verbände, Interessensvertretungen und Unternehmen auf Internetplattformen zur Verfügung gestellt (Beispiele in unserer Sammlung von Unterrichtsmaterialien). Gleichzeitig können Lehrkräfte auf Plattformen eigens erstellte Unterrichtsmaterialien zum Verkauf und/oder Tausch anbieten (Kaminski & Loerwald, 2015). Für Lehrende gilt es, das jeweilige Eigeninteresse der herausgebenden Institution oder Person mit Blick auf die Verbreitung der Unterrichtsmaterialien im Unterrichtskontext sowie den Bildungsgehalt kritisch zu prüfen. Unterrichtsmaterialien, die Werbung transportieren, sollten angesichts der jugendlichen Zielgruppe im Schutzraum Schule von vornherein aus einer näheren Betrachtung ausgenommen und als nicht geeignet aussortiert werden (Zusammenarbeit mit externen Partnern) – es sei denn, diese dienen als Beispiel für eine gemeinsame kritische Analyse mit den Lernenden.

Eine zentrale Anforderung an den Wirtschaftsunterricht und dementsprechend auch an Unterrichtsmaterialien ist, dass Unterrichtsgegenstände multiperspektivisch und kontrovers zu behandeln sind (Tübinger Modell). Multiperspektivität hat dabei verschiedene Dimensionen: So kommt eine Betrachtung eines wirtschaftlichen Problems beispielsweise aus der Perspektive unterschiedlicher Akteur:innen infrage oder auch die Beleuchtung unterschiedlicher Ebenen eines wirtschaftlichen Phänomens (Loerwald, 2008). Auch im Hinblick auf die Sorge vor lobbyistischen Einflüssen auf Einstellungen, Werte, Haltungen und Denkweisen von Schüler:innen (Hedtke, 2016, S. 3-4) erscheint Multiperspektivität als ein entscheidendes Qualitätskriterium von Wirtschaftsunterricht und des dort eingesetzten Materials. Unabhängig davon, aus welcher Quelle dieses stammt, sind Wirtschaftslehrkräfte dazu aufgefordert, Leitideen und Überzeugungen der Ersteller:innen zu reflektieren und Schüler:innen gegenüber offenzulegen, da Werte und Vorstellungen, die bei der Erstellung zum Tragen kommen, nicht neutral sind (Kaminski, 2017, S. 355) (Reflexive Wirtschaftsdidaktik).

Vor diesem Hintergrund erfüllen Lehrpersonen eine bedeutende Gate-Keeper-Funktion und sollten die vielfältigen Materialangebote vor dem Einsatz auf verschiedene Qualitätskriterien prüfen (Kaminski & Loerwald, 2015, S. 2), vor allem da im Gegensatz zu Schulbüchern der Begriff „Unterrichtsmaterialien“ nicht geschützt ist und diese entsprechend keiner Genehmigungspflicht und somit auch keiner verbindlichen Qualitätskontrolle unterliegen (Kaminski & Loerwald, S. 8-9) (Zusammenarbeit mit externen Partnern). Da die Eignung von Unterrichtsmaterialien für die jeweilige Lerngruppe höchst situativ erscheint, obliegt es der Lehrperson zu prüfen, ob sich das jeweilige Unterrichtsmaterial für ein konkretes Unterrichtsvorhaben in einer bestimmten Klasse eignet (Kaminski & Loerwald, 2015). Kriterien für eine entsprechende Analyse sind nach Kaminski und Loerwald (2015) beispielsweise erkenntnisleitende Interessen, fachwissenschaftlicher Kontext, angestrebter Kompetenzerwerb, eingesetzte Methoden, didaktische Schlüsselstellen sowie die Problematisierung von zu vermeidenden Lernergebnissen im Sinne möglicher Denkfehler, und die Gestaltung der Schüler:innenmaterialien.

Eine besondere Form des Unterrichtsmaterials stellen Open Educational Resources (kurz: OER) dar. Mit diesem Begriff werden Bildungsmaterialien jeglicher Art bezeichnet, die unter einer offenen Lizenz veröffentlicht, verändert und weiterverbreitet werden können. OER bieten verschiedene Vorteile: Sie sind niedrigschwelliger erreichbar, können von Lehrpersonen individuell an die Bedürfnisse der Lerngruppe angepasst werden und zu einer schnellen Verbreitung innovativer Methoden und Lerninhalte beitragen. Ein weiteres Potenzial, das im Rahmen Ökonomischer Bildung diskutiert wird, liegt in der verbesserten Zugänglichkeit qualitativ hochwertiger Unterrichtsmaterialien und Schulbücher unter einer OER-Lizenz. Diese können laut Befürworter:innen dazu beitragen, den Einsatz unseriöser Lehrinhalte zu reduzieren (Ebner & Schön, 2011). Gleichzeitig trägt die Etablierung von OER zu einem weiteren Anstieg der Materialfülle bei. Eine Qualifizierung von Lehrkräften (Handeln von Lehrpersonen) im Rahmen der Aus- und Weiterbildung erscheint deshalb umso wichtiger, damit diese für die durchaus stark variierende Qualität von Unterrichtsmaterial sensibilisiert werden und relevante Kompetenzen entwickeln, um die o.g. Gate-Keeper-Funktion erfüllen zu können.

Literatur

Ebner, M. & Schön, S. (2011). Offene Bildungsressourcen: Frei zugänglich und einsetzbar. In A. Hohenstein (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Expertenwissen aus Wissenschaft und Praxis–Strategien, Instrumente, Fallstudien, 7 (15), (S. 1-14). Wolters Kluwer.

Fridrich, C. (2020). Wirtschaft als schwieriger Themenbereich im österreichischen Geographie- und Wirtschaftskunde-Unterricht? Konsequenzen für Fortbildung und Ausbildung. OpenSpaces. Zeitschrift für Didaktiken der Geographie, 1, 5-24.

Hedtke, R. (2016). Paradigmatische Parteilichkeit, lückenhafte Lehrpläne und tendenziöses Unterrichtsmaterial? Eine Studie zu Gestalt und Gehalt sozio/ökonomischer Bildung. Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V. (FGW). https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/66437 (abgerufen am 21.08.2025).

Kaminski, H. (2017). Materialienangebote für die ökonomische Bildung: Konstruktion und Beurteilung. In: H. Kaminski (Hrsg.), Fachdidaktik der ökonomischen Bildung (S. 347-358). Ferdinand Schöningh.

Kaminski, H. & Loerwald, D. (2015). Unterrichtsmaterialien für die ökonomische Bildung. Aktuelle Entwicklungen und Qualitätsanforderungen. https://www.vbw-bayern.de/vbw/Themen-und-Services/Bildung/Vorschule-Schule/Publikation-%C3%96konomische-Bildung.jsp. (abgerufen am 21.08.2025). 

Loerwald, D. (2008). Multiperspektivität im Wirtschaftsunterricht. In D. Loerwald, M. Wiesweg & A. Zoerner (Hrsg.), Ökonomik und Gesellschaft: Festschrift für Gerd-Jan Krol (S. 232-250). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

zuletzt aktualisiert: 12.11.2025

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